Wer sagt eigentlich, dass Kinderbücher nur für Erwachsene sind? Anja Janotta schreibt nicht nur Kinderbücher, sondern liest auch die ihrer Kollegen. Mich hat interessiert, welches ihr besonders gut gefallen hat und warum. In einem Interview steht sie mir Rede und Antwort. Vielen Dank, liebe Anja!
Interview mit Anja Janotta
Liebe Anja, was verbindet dich mit Kinderbüchern?
Gerade eben liegen nur 30 Zentimeter Luftlinie zwischen meinen Lieblingskinderbüchern und mir (für die Leser: wir führen gerade ein Chat-Interview). Eine enge Verbindung also. Die Kinderbücher stehen deswegen so nah, damit ich immer ein gutes Beispiel vor Augen habe: Da will ich mal hin; so genial möchte ich mal schreiben. Denn ich wusste schon mit elf Jahren, dass ich mal Kinderbuchautorin werden will. Damals habe ich meine erste Schreibmaschine bekommen und wild drauflos gehämmert. Hat nur knapp 30 Jahre länger gedauert, bis mein erstes Kinderbuch wirklich rausgekommen ist. Würden mir meine Kinder nicht ständig ihre Alltagsgeschichten an den Küchentisch tragen, hätte es bestimmt noch weitere 30 Jahre gebraucht.
Bevor du ein für dich interessantes Kinderbuch vorstellst, möchte ich gern wissen, was für dich ein „gutes Kinderbuch“ ist.
Ein gutes Kinderbuch? Das sind so viele wichtige Aspekte: Eine mitreißende Story zuallererst, die einen schnell packt. Eine schöne temporeiche Sprache. Tolle, unverwechselbare Charaktere, die durch das was sie tun und sagen beschrieben werden. Überhaupt, ich bin ein Riesenfan von lebendigen Dialogen. Und ein wirklich gutes Kinderbuch packt nicht nur die Kleinen, sondern auch die großen Leser beim Vorlesen, Mitlesen oder Nebenher-Lesen. Am besten solche, von denen man nicht weiß, ob man vor Rührung oder Lachen Tränen vergießt. Diese Mischung mag ich am allermeisten, wenn Humor und Ernsthaftes zusammen kommen (eigentlich so wie ich am allerliebsten auch selbst Bücher schreibe).
Welches Buch hast du für uns ausgewählt und was konnte dich daran überzeugen?
Das Buch, das jeden aus meiner Familie gleichermaßen fasziniert hat, ist „Rico, Oscar und die Tieferschatten“. Ich bin ein großer Vorleser und lese meiner Familie immer während der Fahrt in den Urlaub vor. Rico ist also vor vier Jahren mit uns nach Venezien gefahren. Wir haben Glück, dass wir heil angekommen sind, denn unser Auto hat nur so gewackelt vor Lachen. In dem Buch vereint sich so vieles: Pralles Berliner Leben, eine spannende Krimi-Handlung, gewitzte Wortspiele, Helden mit Schrullen und vor allem diese Ehrlichkeit, mit der Rico schonungslos aus seinem Leben berichtet. Der macht sich dann schon mal Gedanken, ob er bei seinem Abenteuer im Krankenhaus landet und ob er da – wie peinlich – womöglich keine frische Unterhose anhat. Und als Tiefbegabter sind seine lakonischen Einsichten ins Leben einfach großartig. So wie zum Beispiel bei der Schwerkraft: „Entdeckt hat die Schwerkraft ein Mann namens Isaac Newton. Sie ist gefährlich für Busen und Äpfel. Womöglich auch noch für andere runde Sachen.“ Trotzdem ist es auch ein ernsthaftes Buch, denn Rico begegnet vielen Außenseitern und Leuten, die es nicht leicht haben.
Im März habe ich in München auf der Bücherschau Junior ein Autogramm von Andreas Steinhöfel ergattert. Das heilige Papier steht jetzt in meinem Regal und guckt mir beim Schreiben immer schön über die Schulter.
Hat Rico, Oskar und die Tieferschatten dein eigenes Schreiben beeinflusst?
Ja sehr, eigentlich hat es sogar den Anstoß gegeben. Denn bei einer Flasche Rotwein auf der Terrasse unserer Ferienwohnung habe ich einfach mal so dahin gesagt: „So gut will ich auch mal schreiben können.“ – „Mach doch“, hat mein Mann gemeint. Zwei Wochen später habe ich mit meinem Erstling „Linkslesestärke“ angefangen, mit nichts weiter im Gepäck als einem Titel, einem ersten Satz und einer Vorstellung von meiner Hauptfigur. Nach sechs Wochen war ich fertig. So ein Tempo habe ich bei den darauffolgenden Büchern nie wieder geschafft. Ich schiebe das alles auf die Inspiration durch Andreas Steinhöfel.
Nachwort
Wie bereits erwähnt liest Anja Janotta nicht nur (neben Kinderbüchern sicherlich auch andere Literatur), sondern schreibt selbst Kinderbücher – und das wirklich gut. Im August 2016 ist mit „Der Theoretikerclub“ bereits ihr drittes Kinderbuch erschienen. Eine Besprechung wird zeitnah hier auf diesem Blog folgen. Außerdem kann ich ihre beiden ersten Bücher „Linkslesestärke oder die Sache mit den Borten und Wuchstaben“ und „Linkslesemut oder die Sache mit dem Versiebtlein“ sehr empfehlen. Die Protagonistin Mira hat eine Leserechtschreibschwäche und bei aller Tragik, die für die Betroffenen und ihre Angehörigen darin steckt, ist die Begegnung besonders im zweiten Band erfrischend humorvoll. Bist du neugierig? Dann schau direkt auf Anja Janottas Homepage vorbei. Viel Spaß!