Lässt sich die Rechtschreibung durch Lesen verbessern?

Kind lernt lesen

Bei Kindern mit schlechter Rechtschreibung lautet eine häufige Empfehlung, dass sie mehr lesen sollen. Sind Wissenschaftler derselben Meinung? Kann sich die Rechtschreibung durch Lesen verbessern?

In den letzten Jahren kochen die Diskussionen um die Rechtschreibkompetenzen der Kinder in den Medien hoch. Mal wird der Lehrer für die schlechteren Leistungen verantwortlich gemacht, dann wieder die Methode oder das gesamte Schulsystem. Früher war alles besser, könnte man meinen. Fernab wissenschaftlicher Erkenntnisse jagt ein Mythos den nächsten und es ist mitunter verwunderlich, wie hartnäckig sich manche Gerüchte halten. Eins davon ist die Aussage: Wer viel liest, verbessert seine Rechtschreibung. Das klingt gut, oder? Lästige Rechtschreibübungen waren gestern, in tolle Geschichten eintauchen ist der richtige Weg von heute. Und ganz nebenbei, ohne große Mühe, verbessert sich durch häufiges Lesen die Rechtschreibung. Schön wär‘s! Leider stimmt das nicht.

Mythos: Wer viel liest, verbessert die Rechtschreibung

Wie kommt es, dass Lehrer bei rechtschreibschwachen Schülern immer wieder die wohlgemeinte Empfehlung geben, die Kinder sollen „einfach mehr lesen“?

Ein Grund liegt sicherlich in den theoretischen Annahmen der Wissenschaftler über den Schriftspracherwerb (also wie man Lesen und Schreiben lernt). In einem der bekanntesten Modelle von Uta Frith, das immer wieder aufgegriffen und weiterentwickelt wurde, ist ein enger Zusammenhang zwischen Lesen und Rechtschreiben dargestellt. Dem Modell zufolge bildet Lesen sogar die Grundlage für das (Recht-)Schreiben.

Mittlerweile gibt es einige Untersuchungen, die das widerlegen, doch manchmal braucht es recht lange, bis neue Erkenntnisse auch in der Praxis ankommen. Und so lange wird es Lehrer und Eltern geben, die behaupten, dass sich die Rechtschreibung durch Lesen verbessern wird.

Bessere Leseleistung durch Rechtschreibtraining

In der ICD 10, einer internationalen Klassifikation über Krankheiten, wird zwischen einer Rechtschreibstörung und einer Lese-Rechtschreibstörung unterschieden. Eine Lesestörung ist darin nicht festgehalten. Vielleicht ändert sich das noch. Folgende Ergebnisse liefern bisherige Studien:

  • Kinder können Wörter lesen, diese aber nicht schreiben und umgekehrt (also Wörter richtig schreiben, diese aber nicht lesen)
  • ausgezeichnete Leser sind mitunter nur mäßig gute Rechtschreiber
  • eine schwache Leseleistung kann bei gleichzeitig guter Rechtschreibleistung auftreten
  • ein Lesetraining verbessert die Rechtschreibleistung nur minimal
  • Kinder machen Rechtschreibfehler bei häufig gelesenen Wörtern
  • durch gezieltes Rechtschreibtraining kann die Leseleistung verbessert werden

Interessant ist vor allem, dass sich die Rechtschreibung nicht durch Lesen verbessert, dafür aber Schreiben einen Einfluss auf das Lesen hat. Gezieltes (!) Rechtschreibtraining verbessert die Rechtschreibung UND wirkt sich positiv auf die Lesekompetenz aus. Lesen ist dennoch wichtig und gut, aber für andere Ziele. Ihr könnt also gerne weiterhin hier stöbern und euch auf der Suche nach guten Kinderbüchern inspirieren lassen.

Tipps, wie ihr einem Kind mit LRS beim Lesenlernen helfen könnt, erhaltet ihr übrigens hier: Leseförderung bei LRS

11 Gedanken zu „Lässt sich die Rechtschreibung durch Lesen verbessern?“

  1. Vermutlich gibt es zu jeder Methode mindestens ein Kind, bei dem sie funktioniert.
    Ich war zum Beispiel eines der Kinder, die gerne, gut und daher viel gelesen haben. Rechtschreibung und Diktate waren praktisch immer top. Auch kann ich mich nicht erinnern, jemals aktiv Rechtschreibregeln gelernt zu haben. Die habe ich mir oft durch Beobachtung selbst erschlossen, das hat sogar Spaß gemacht. Ob das an persönlicher Begabung oder einer guten Didaktik oder einer Mischung aus beidem lag? Das kann ich rückblickend leider nicht sagen.

    Die Frage ist nur, wie hilft man denjenigen Kindern, die in dieser Hinsicht weniger Glück haben? Bei meinem eigenen Kind ist es aktuell auch ein Thema. Es ist gar nicht so leicht, jemandem bei einem Problem zu helfen, das man selbst nie kennen gelernt hat.

  2. Vielen Dank für den Beitrag zur Rechtschreibungsverbesserung. Meine Nichte braucht Hilfe bei ihrer Lese- und Rechtschreibstörung, da wir möchten, dass sie sich normal entwickelt. Gut zu wissen, dass man allein durch Lesen keine Verbesserung in der Rechtschreibqualität erreicht und ein Rechtschreibtraining viel mehr Sinn macht.

    1. In einer mündlichen Prüfung würde ich mich ausschließlich auf die Literatur beziehen, die die Prüfer ausgeben. Einen Teil der Literaturhinweise findest du unter meinem Instagrampost zu diesem Beitrag, einfach dort mal suchen. 🙂

  3. Wir haben den Hinweis bekommen mit unserem Sohn mehr zu lesen, damit er weniger Problem beim Schreiben hat/ bekommt!
    Jetzt denke ich wir sollten beides machen!!!

    1. Lesen ist ebenso wichtig wie regelmäßiges Schreiben und es ist sehr gut, wenn ihr euch daheim die Zeit dafür nehmt. Besonders dann, wenn dein Kind Schwierigkeiten haben sollte, ist für eine Verbesserung der Rechtschreibung der Hinweis, mehr zu lesen, wenig zielführend. Ich weiß, dass diese Empfehlung immer wieder gegeben wird. Es braucht leider sehr lange, bis aktuelle Forschungsergebnisse endlich in der Praxis, also bei PädagogInnen und Eltern ankommen. Ein gezieltes Rechtschreibtraining ist für eine gute Rechtschreibung unverzichtbar, die wenigsten Kinder lernen diese einfach nebenbei (z.B. indem sie viel lesen). Aber auch solche Kinder gibt es natürlich.

    1. Liebe Anke,
      sicherlich gibt es bei der Sprache wie in allen Bereichen unterschiedliche Begabungen. Zumindest Teilbereiche davon lassen sich dennoch fördern und somit Erfolge erzielen, die ohne eine Förderung ausgeblieben werden – zum Glück. Die spannende Frage daran ist, welche Bereiche lassen sich fördern und vor allem wie (oder womit eben nicht). Und da lohnt es sich, immer mal in die aktuelle Forschung zu blicken, denn neue Erkenntisse kommen hinzu, andere werden widerlegt.

    1. Gerne, da wirst du nicht die Einzige sein. Ich lese und höre diese Empfehlung immer wieder. Studienergebnisse kommen oftmals nicht in der Praxis an oder eben Jahre bis Jahrzehnte später.

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