Karlinchen – Ein Kind auf der Flucht

Karlinchen - Ein Kind auf der Flucht ist ein Bilderbuch über Flucht, Migration und Integration

Karlinchen ist noch ein Kind und dennoch ganz alleine auf der Flucht. Das Mädchen fragt überall um Hilfe, wobei sie wiederholte Ablehnung erfährt. Bis jemand sie bei sich aufnimmt, von dem wir es am wenigsten erwartet hätten.

„Karlinchen lief davon,

denn Feuer fiel vom Himmel und sie hatte Hunger

und niemand kümmerte sich um ein Kind,

das allein war und voll Angst.“

In dieser dramatischen Ausgangssituation, die auch im Bild eindrucksvoll erscheint, sehen wir Karlinchen davonrennen. Karlinchen ist ein kleines Mädchen (vielleicht im Grundschulalter) mit strubbeligen, kurzen Haaren, einem viel zu großen Mantel und ohne Schuhe. Sie hat Hunger und ist auf der Suche nach einer Herberge, nach einem neuen Zuhause. Die Hintergründe, warum sie alleine ist, warum „das Feuer vom Himmel fiel“, in welchem Land sie lebt und wo genau sie hinläuft, werden nicht benannt.

Zuerst macht Karlinchen in einem Dorf halt, das als friedvolle Idylle im starken Kontrast zur vorherigen Situation steht. Ein altes Ehepaar sitzt im Grünen auf einer Bank vor dem Haus, alles ist gepflegt und ordentlich, doch ihre verschränkten Arme und die grimmigen Mienen verraten bereits, dass sie einem Kind wie Karlinchen, das sich auf der Flucht befindet, nicht helfen werden.

Sie hetzen ihr die Polizei auf den Hals, so dass sich das Mädchen in den Wald flüchtet. Als wäre der Wald das Tor zu einer magischen Welt begegnet Karlinchen nun fiktiven Gestalten wie den Steinbeißern und den Seidenschwänzen. Beide wären bereit zu helfen, wenn Karlinchen sich ihren Essensgewohnheiten bedingungslos anpassen (Steine!) und nicht so anders aussehen würde (mit Seidenschwanz). Auch bei den Nebelkrähen kann sie nicht bleiben, denn dafür müsste sie auf die Bäume fliegen können und Mäuse essen.

Bilderbuch Flucht, Kinderbuch Flucht und Migration
© Annegret Fuchshuber: „Karlinchen – Ein Kind auf der Flucht“, Annette Betz, Berlin 2015

Karlinchen verlässt die magische Welt wieder und gelangt in eine städtische Gegend, wo sie auf reiche und arme Menschen zugeht, die alle der Meinung sind, selber nicht genug zu haben. Gerade als Karlinchen die Hoffnung aufgibt, trifft sie auf den Narr, der mit seinem Gerümpel in einem Baum lebt und Karlinchen mit offenen Armen bei sich aufnimmt.

Was brauchen Hilfesuchende?

In dem Bilderbuch „Karlinchen – Ein Kind auf der Flucht“ wird uns über fiktive Gestalten und real dargestellte Personen vor Augen geführt, wie Menschen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten und Lebensrealitäten einen Hilfesuchenden abweisen und was ihre Argumente sind, diesen nicht zu unterstützen, obwohl es möglich wäre. Das Buch liefert gute Impulse um mit Kindern darüber zu diskutieren, was echte Hilfe ausmacht und dass es wichtig ist, sich in die Perspektive des anderen hineinzuversetzen. Es wirft die Frage auf, ob Integration die Übernahme der eigenen Lebensgewohnheiten ist oder ob ein gastfreundlicher Umgang nicht auch anders aussehen kann.

Karlinchen - Ein Kind auf der flucht, Bilderbuch
© Annegret Fuchshuber: „Karlinchen – Ein Kind auf der Flucht“, Annette Betz, Berlin 2015

Die Figur des Narren als Retter von Karlinchen ist irritierend. Warum ausgerechnet ein Narr? Was verkörpert diese Figur und unterschiedet sie von den anderen Wesen aus dem Buch? Auf den Illustrationen erscheint der Narr über seine Kleidung und sein Aussehen als Vereinigung der Menschen und fiktiven Gestalten aus diesem Buch.

„Karlinchen – Ein Kind auf der Flucht“ liefert Gesprächsstoff und das ist gut so, denn die aktuelle Situation weltweit im Umgang mit Flüchtenden oder allgemein Andersaussehenden, Andersdenkenden wird sich weiter zuspitzen und es braucht dringend gute Kinder- und Bilderbücher, die humanistische Werte in den Vordergrund stellen und immer wieder darauf verweisen, dass es keine Bänke sind, die wir zur Seite schieben, sondern Menschen, die an solch einem Verhalten zugrunde gehen können.

Annegert Fuchshuber:
Karlinchen. Ein Kind auf der Flucht
Annette Betz Verlag 2016
ISBN 978-3-219-11692-2
32 Seiten * gebundene Ausgabe 14,95 € [D] * Altersempfehlung: ab 5 Jahren

 

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