Für leseschwache Kinder ist es besonders schwierig, geeignete Kinderbücher zu finden. Entweder sie sind zu dick oder die Sprache ist zu komplizert. Ich habe hier einige Tipps für die Buchauswahl und stelle euch Bücher für Legastheniker vor.
Es gibt Kinder, denen das Lesen besonders schwer fällt. Sie müssen sich viel mehr mühen als andere und dennoch sind ihre Erfolge deutlich kleiner. Oftmals ist es schwierig, für sie geeignete Lesebücher zu finden, da die Altersempfehlungen bei Kinderbüchern keine Orientierung bieten. Dicke Bücher, komplizierte Worte, schwer lesbare Schriftarten und schwierige Ausdrucksweisen – all das ist wenig motivierend und verstärkt die Ablehnung nur umso mehr. Was tun?
Lesen ist in unserer Gesellschaft eine elementare Kulturtechnik, die jeder beherrschen muss, wenn er sich zurechtfinden will. Nichtlesen ist also keine Option und es stellt sich die Frage, welche Bücher für Legastheniker geeignet sind, damit die Hürden nicht zu groß sind und über Erfolgserlebnisse das Interesse an Büchern geweckt wird.
Bei der Suche nach passenden Büchern macht es übrigens keinen Unterschied, ob das Kind eine diagnostizierte Legasthenie oder aus anderen Gründen Schwierigkeiten mit dem Lesenlernen hat (organische Ursachen natürlich ausgeschlossen), die Herangehensweise ist die gleiche.
Leseeinstieg
Es kommt vor, dass Kinder am Ende der 1. oder 2. Schulklasse, mitunter sogar noch später, keine Silben oder vollständigen Wörter lesen können. Bei ihnen ist der erste Versuch, ihnen das Lesen beizubringen, gescheitert. Für genau diesen allerersten Einstieg findet ihr in dem Artikel Leseförderung bei LRS – jedes Kind kann lesen lernen! viele Tipps und Empfehlungen, natürlich sollte hier ein Experte hinzugezogen werden.
Sowohl Fibeln als auch Erstlesebücher weisen allerhand Stolperfallen auf, die uns nicht auffallen, da wir als erfahrene Leser einfach über sie hinweglesen. Die meisten Kinder kommen damit mehr oder weniger gut zurecht, einige aber leider nicht.
Eine Hilfe bieten Bücher, in denen die Silben mit unterschiedlichen Farben markiert sind. Mittlerweile gibt es in dem Bereich eine große Auswahl von insgesamt 4 Kinderbuchverlagen:
- Ravensburger (Leserabe): Leichter lesen lernen mit der Silbenmethode
- Arena (Bücherbär): Mit Silbentrennung zum leichteren Lesenlernen
- Loewe Verlag (Leselöwe): Die schönsten Silbengeschichten
- Duden Kinderbuch (Leseprofi): Silbe für Silbe
Eine weitere Möglichkeit sind Bücher, in denen vorgegeben ist, welche Abschnitte das Kind und welche der Lesepartner vorliest. Von dem gemeinsamen Lesen profitieren Kinder, die bereits schwierige Buchstabenverbindungen lesen können aber noch schnell erschöpft sind. Ich kann diese Bücher nur eingeschränkt empfehlen, da die Abschnitte, die das Kind lesen soll, nicht einfacher sind als der übrige Text. Für Kinder mit Schwierigkeiten wird damit eine große Chance vertan.
Zusammenfassend muss ich leider sagen, dass die üblichen Erstlesebücher häufig keine geeigneten Bücher für Legastheniker sind, weil die verwendete Fibelschrift keine eindeutigen Buchstabenformen hat, die Texte sprachlich zu schwierig und für ältere Kinder inhaltlich zu einfach sind.
Comics und Comic-Romane
Kinder, die nicht gerne Bücher lesen, gibt es allerhand. Aber Kinder, die keine Comics lesen? Mit Comics lassen sich selbst Lesemuffel vom Selberlesen überzeugen, zumal auch schlechte Leser damit in den Genuss von altersgerechten Erzählungen kommen. Für einen 10 Jährigen ist es frustrierend, wenn er auf dem Niveau eines Erstklässlers liest, sich aber schon lange nicht mehr für Ritter- und Polizeigeschichten interessiert. Ohne Motivation geht es nicht und genau die können Comics wiederbeleben. Daher empfehle ich bei der Frage nach geeigneten Büchern für Legastheniker sehr gerne Comics, Comic-Romane und später Graphic Novels – übrigens auch für Erwachsene, denen Lesen Mühe bereitet.
Fische aus Silber ist bereits der 2. Band der kurzen Erstlesereihe „Rico & Oskar“ von Andreas Steinhöfel. Weitere Infos zum Buch gibt es hier: Fische aus Silber
Kiste ist eine Kindercomic-Reihe vom Reprodukt Verlag, der neben diesem weitere Kindercomics veröffentlicht.
„Mission unmöglich“ ist der 2. Band von „Böse Jungs“. Der 1. Band wurde 2017 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert.
Beliebt sind auch Zeitschriften wie Micky Mouse, Mosaik (Abrafaxe oder Anna, Bella und Caramella), die Simpsons, Asterix und Obelix sowie zahlreiche weitere. Diesbezüglich haben Bahnhofsbuchhandlungen meist die größte Auswahl.
Bücher in einfacher Sprache
Einige Verlage veröffentlichen seit geraumer Zeit immer wieder Bücher in einfacher Sprache, wodurch sowohl Legastheniker als auch Kinder mit geringen Deutschkenntnissen die Möglichkeit haben, zumindest den Inhalt einer Geschichte selbstständig zu erlesen. Damit Kinder sprachliche Vielfalt erleben, rate ich davon ab, ausschließlich zu Büchern in einfacher Sprache zu greifen.
Derartige Kinderbücher sind eine große Erleichterung, wenn die gesamte Schulklasse in einer vorgegebenen Zeit ein Buch durchlesen soll. Das kann für Kinder, die langsam lesen, großen Druck auslösen. Es ist einen Versuch wert, die Lehrer in der Schule darauf anzusprechen, ob sie für die Klassenlektüre nicht zukünftig Bücher auswählen können, die zusätzlich in einfacher Sprache veröffentlicht wurden.
Die richtige Schrift
Das beste Buch nützt nichts, wenn das Kind es nicht lesen möchte. Einige wissen sehr genau, welche Themen und Bücher sie interessieren und es ist immer ratsam, sich gemeinsam auf die Suche nach dem passenden Buch zu begeben. Ein kurzer Blick auf den Text sollte folgen, um dessen Schwierigkeit einzuschätzen. Folgende Merkmale sind schnell erfasst:
- keine zu kleine Schrift (12-14)
- eine serifenlose Schrift (ohne Querstriche an den Buchstaben, z.B. Arial und nicht Times New Roman)
- eindeutige Buchstabenformen (Problem: b, d, p, q sind in vielen Schriftarten Spiegelungen voneinander)
- linksbündig, damit der Abstand zwischen den Worten gleich bleibt
- keine zu hohe Zeilenlänge
Selten erfüllt ein Kinderbuch alle Anforderungen. Anfangs sollte außerdem die Seitenanzahl nicht zu hoch sein, denn der Erfolg, relativ schnell ein ganzes Buch geschafft zu haben, motiviert sehr. Die Altersempfehlungen der Verlage kann man getrost ignorieren. Bei der Suche nach Büchern für Legastheniker ist nicht das Alter oder die Klassenstufe, sondern der Stand der Leseentwicklung entscheidend. Übermäßigen Druck und Stress gilt es zu vermeiden, am Lesen üben führt aber kein Weg vorbei.
Eine Alternative zum Buch in Papierform können eBook Reader sein, da sich hier teilweise die Schriftart, die Schriftgröße, die Zeilenhöhe und die Randabstände ändern lassen. Für Legastheniker werden bestimmte Schriftarten wie Open Dyslexia, Andika Basic, Lexia Readable, AbeeZee, Tiresias oder Comic Sans empfohlen. Allerdings ist es nicht bei allen eBook Readern möglich, diese Schriften zu wählen.
Lustig, spannend, temporeich
Bücher sind ebenso verschieden wie es Kinder sind und auch die Symptome und Ursachen einer LRS unterscheiden sich voneinander. Es ist daher schwer möglich, konkrete Buchempfehlungen für Legastheniker zu geben, aber einige Tendenzen lassen sich benennen. Wenn das Lesen große Mühe bereitet, muss der Einstieg in die Geschichte leicht gelingen. Bücher mit langatmigen Hinführungen haben meist keine Chance. Der Anfang sollte sofort interessant sein, indem die Erzählung schnell spannend, temporeich oder lustig wird. Illustrationen können dies ergänzen, aber nicht alle Kinder brauchen bunte Bilder dazu.
Ich konnte beobachten, dass jüngere Kinder humorvolle Geschichten mit lustigen Bildern bevorzugen, später ist mehr Abenteuer und Spannung gefragt. Wie schon erwähnt darf der Textumfang nicht abschrecken, also geringere Seitenzahl und wenig Text pro Seite mit häufigeren Absätzen sind für viele optimal. Im Laufe der Zeit werden die Bücher dann dicker.
Kurze und lustige Geschichten
Jochen Till: Einfach ungeheuerlich: Rotzschleimtorte für alle, Ravensburger Verlag, 100 Seiten, Altersempfehlung: ab 7 Jahren
Nina Hundertschnee: Mumien-Alarm! (Professor Plumbums Bleistift, Band 1), Carlsen Verlag 80 Seiten, Altersempfehlung: ab 6 Jahren
Knister: Die Sockensuchmaschine, Arena Verlag, 64 Seiten, Altersempfehlung: ab 7 Jahren
Michael Petrowitz: Das wilde Uff sucht ein Zuhause, Ravensburger Verlag, 192 Seiten, Altersempfehlung: ab 9 Jahren
Spannende Geschichten
Stefan Gemmel: Das Abenteuer beginnt (Im Zeichen der Zauberkugel, Band 1), Carlsen Verlag, 176 Seiten, Altersempfehlung: ab 8 Jahren
Die Finstersteins ist eine dreiteilige Reihe mit ganz viel Abenteuer, Freundschaft und ein wenig Grusel. Sehr zu empfehlen für alle, die sich 200 Seiten zutrauen. Der Inhalt ist für 9-11 Jährige interessant.
Animox ist vor allem eins: spannend. Die Fantasy-Reihe erinnert an Warrior Cats und macht regelrecht süchtig. Empfohlen werden die Bände ab 10 Jahren, doch sie sind selbst für Jugendliche noch interessant. Die Sprache ist einfach, dafür umfasst jedes Buch fast 400 Seiten.
Danke für diese Tipps über die Bücher die für Kinder mit Legasthenie geeignet sind! Mein Sohn bekommt zurzeit Hilfe bei seiner Lese- und Rechtschreibstörung und ich möchte ihm noch mit anderen Mitteln helfen sein Lesen zu verbessern. Es ist wirklich schwer geeignete Bücher zu finden, die Sprache ist meist zu kompliziert für ihn. Ich müsste mal schauen welche Themen ihn am meisten interessieren und bei dem Kauf einen Blick auf das Buch werfen um zu sehen, ob der Text diese Merkmale hat, die hier genannt werden. Ich kaufe meistens kleine Bücher mit vielen Bildern aber es wird Zeit jetzt ein bisschen mehr zu fördern! Danke für diesen hilfreichen Beitrag!
Hallo,
ich habe ein paar Jahre als Nachhilfelehrerin in einer Förderschule gearbeitet – hauptsächlich für Mathe und Englisch, aber ich habe ab und an auch Deutschstunden gegeben und dabei festgestellt, wie frustrierend es für Kinder mit Legasthenie ist, solche Probleme mit dem Lesen zu haben.
Silben mit unterschiedlichen Farben waren da wirklich hilfreich! Mit dem gemeinsam Lesen habe ich aber auch die Erfahrung gemacht, dass die Texte für die Kinder zu schwierig sind.
Ich habe mal mit zwei Jungs in der allerersten Stunde Comics gelesen (die waren sogar extra fürs Lesenlernen gestaltet), und als sie das der Mutter erzählten, kam sie wutentbrannt in die Nachhilfeschule gestürmt und beschwerte sich über meinen „mangelhaften Unterricht“… Sie verlangte auch eine andere Lehrerin. Dabei war ich eigentlich sehr zufrieden damit gewesen, wie sie mitgemacht haben!
Manche Eltern können nur sehr schwer akzeptieren, dass ihre Kinder eine LRS haben.
Ich habe diesen Beitrag HIER für meine Kreuzfahrt durchs Meer der Buchblogs verlinkt.
LG,
Mikka